Trumps Zollpolitik wirkt wie Chaos – ist sie in Wahrheit kalkuliert?

„Zoll-Wahnsinn“, „abstruse Argumente“, „Selbstzerstörung Amerikas“ – so lauten die Schlagzeilen quer durch Europa. Die Kritik überschlägt sich: Trump handle irrational, gefährlich, größenwahnsinnig. Seine Wirtschaftspolitik? Ein „Handelskrieg“, der alles zerstört – Amerika, den Westen, die Märkte.

Kurz: Alle halten Trump für einen wahnsinnigen Protektionisten – aber was, wenn genau das seine Strategie ist? Während die Welt über Pinguine lacht, überzieht Trump den Globus mit Zöllen, Drohungen und Chaos – und genau das scheint Teil eines größeren Spiels zu sein. Inszenierung und Strategie gehen hier Hand in Hand – zumindest, wenn man einem renommierten Finanzexperten glaubt.

Eric Demuth (Bild), CEO des Fintech- und Einhorn-Unternehmens Bitpanda, warnt die Europäer: Trump spielt nur mit euch.APA/AFP/JOEL SAGET

Der wahre Plan?

Eric Demuth, Mitbegründer und CEO der Investmentplattform Bitpanda, sieht die Sache grundlegend anders. In einem Kommentar auf The Pioneer schreibt er: „Was aussieht wie Irrsinn, folgt einer kommunikativen Logik – und einer potenziell hochriskanten wirtschaftlichen Strategie.“

Hinter Trumps unkontrolliertem Zollsturm steht laut Demuth in Wahrheit ein kalkuliertes Spiel – um Aufmerksamkeit und um Billionen. Denn: Die USA müssen bis Ende 2026 Staatsanleihen im Wert von rund 9 Billionen Dollar refinanzieren. Und das in einem Hochzinsumfeld. Schon minimale Schwankungen bei den langfristigen Zinsen können den Haushalt um Hunderte Milliarden Dollar zusätzlich belasten.

Trumps Zoll-Schock wirkt: Weltweit stürzen die Börsenkurse in die Tiefe, auch an der Taiwan Stock Exchange in Taipeh (Bild).APA/AFP/I-Hwa Cheng

Trump – oder vielmehr sein wirtschaftliches Umfeld – weiß das. Deshalb geht es nicht vorrangig um Handelsbilanzen. Es geht um Erwartungen. Wenn man die Wachstumsaussichten gezielt eintrübt – mit Zöllen, Unsicherheit, Chaos –, dann sinken die Renditen auf Staatsanleihen. Und genau das ist das Ziel: Günstiger refinanzieren, bevor der Schuldenberg fällig wird.

Der Handelskrieg entpuppt sich näher besehen als Renditekrieg. „Zölle, protektionistische Rhetorik und wirtschaftliche Unsicherheit sind dabei keine Pannen, sondern Werkzeuge“, sagt Demuth. „Eine schwache Wirtschaft bedeutet sinkende Renditen. Und genau die braucht die US-Regierung, um sich günstig zu refinanzieren.“

Jamie Dimon (Bild), CEO von JPMorgan Chase, warnt: Trumps Zölle heizen die Inflation an.APA/(FILES) Jamie Dimon, Chairman and CEO of JPMorgan Chase, testifies during a Senate Banking, Housing, and Urban Affairs Committee Hearing on the Annual Oversight of the Nation's Largest Banks, on Capitol Hill in Washington, DC, September 22, 2022. JPMorgan Chase CEO Jamie Dimon warned on April 7, 2025, that US President Donald Trump's tariffs will likely lift inflation, describing himself as "very cautious" in light of the rising recession risk. (Photo by SAUL LOEB / AFP)

Erst dämpfen, dann ankurbeln

Der Fahrplan sei einfach – aber brutal: Zuerst Erwartungen senken, Märkte verunsichern, Wachstum bremsen. Dann: Schulden günstig umschulden, sprich: „Billionen an Staatsanleihen zu günstigeren Konditionen refinanzieren.“ Und anschließend? Stimulus starten, Wirtschaft ankurbeln – und sich als Retter inszenieren.

So könnte Trump pünktlich vor den Zwischenwahlen 2026 als wirtschaftlicher Erneuerer auftreten – ein klassischer „Pump-and-Pivot“-Move, bei dem das Timing entscheidend ist. Doch das Spiel mit Märkten und Stimmungen ist riskant, sehr riskant, warnt der Bitpanda-CEO.

Ist dies schon Schwachsinn, so hat es doch Methode: Was führt Trump (Bild) im Schilde?GETTYIMAGES/Kevin Dietsch

Gefahr des Scheiterns

Denn viele Faktoren liegen außerhalb amerikanischer Kontrolle. Wie reagiert Europa? Was macht China? Wie entwickeln sich die globalen Konflikte? Demuth: „Wenn die Strategie scheitert, drohen Inflation – möglicherweise sogar Stagflation –, der Verlust der Zwischenwahlen und eine Phase strategischer Orientierungslosigkeit.“

Die Schuldfrage? Schon jetzt scheint klar, wer sie tragen soll: „Jerome Powell, der Chef der US-Notenbank.“ Trump fordert von ihm längst öffentlich Zinssenkungen. Powell zögert. Der Showdown ist programmiert, analysiert Eric Demuth.

Wenn es schief läuft, ist er der Sündenbock: Fed-Chef Jerome Powell.APA/AFP/Brendan SMIALOWSKI

Europa unter Druck

Während sich Europa noch über Trumps Eskapaden echauffiert, droht es zum geopolitischen Spielball zu werden. Denn Trump setzt auf bilaterale Deals, nicht auf multilaterale Bündnisse. Wer den USA entgegenkommt, wird belohnt – der Rest blutet.

Demuth: „Zölle werden für jene Länder gesenkt, die den USA strategisch entgegenkommen. Wer sich verweigert, muss mit höheren Kosten leben – bis man an den Verhandlungstisch zurückkehrt.“

Gleichzeitig sähe Trump Europa nicht nur als wirtschaftlichen, sondern auch als ideologischen Gegner. Die alte transatlantische Freundschaft sei Geschichte. Jetzt heiße es: Eigenständigkeit oder Abhängigkeit.

Landesweite Proteste gegen Trumps Pläne.APA/ETIENNE LAURENT

Zu viel Panik?

Doch selbst wenn Trumps Strategie nicht aufgeht, muss das nicht gleich den wirtschaftlichen Weltuntergang bedeuten, wie ihn derzeit viele herbeischreiben. Pioneer-Herausgeber Gabor Steingart hält die Aufregung für übertrieben.

Kapitalmärkte und Medien hätten eine Neigung zur Apokalyptik – ein „Animal Spirit“, wie schon der britische Ökonom John Maynard Keynes schrieb. Auch die düsteren Prognosen der Yale-Universität (Preisanstieg um 2,3 Prozent, BIP-Rückgang um 0,9 Prozent) zeichneten ein statisches Bild – ohne die Dynamik realer Märkte zu berücksichtigen.

Trumps Pläne sind nicht rational? Die Börsenkurse sind es auch nicht immer.APA/AFP/Greg WOOD

Steingart fünf Gründe gegen den Untergang:

Erstens: Zölle müssen nicht zwangsläufig Preistreiber sein. Unternehmen können durch neue Lieferketten, Einsparungen oder geringere Margen gegensteuern.

Zweitens: Zölle sind nur ein Teil der Preiskalkulation – und selten der entscheidende.

Drittens: Die Börse nutzt die Krise. Investoren nehmen Gewinne mit – insbesondere aus überhitzten Tech-Werten.
Steingart schreibt: „Da nie ein Fondsmanager zugeben würde, dass seine KI-Fantasien übertrieben und der Kauf von Nvidia, Microsoft und Apple dem Herdentrieb geschuldet war, nutzt er die Aufregung um die Zölle zur Reduktion seiner riskanten Positionen. Der Markt korrigiert sich.“

Viertens: Auch Trump fürchtet Inflation. Sollte sie aus dem Ruder laufen, könnte er zurückrudern – aus wahltaktischem Kalkül.

Fünftens: Das Spiel ist offen. Gegenzölle, Deals und Kurswechsel sind jederzeit möglich.

Sicher ist allerdings: Es geht um viel – um Macht, Märkte, Geld und Kontrolle. Wer Trumps Zollpolitik nur als Laune oder Wahnsinn abtut, könnte ihn unterschätzen. Eric Demuth warnt: In Wahrheit sei Trump kein Clown – sondern ein Stratege im Clownskostüm.