Kolumne
Kolumne Bernhard Heinzlmaier: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn
In einer Gesellschaft der oberflächlichen Selbstinszenierung ist die Wahrheit immer unerwünscht, sie gilt als Störung. Der ungebetene Gast wird deshalb, immer wenn er auftaucht, entweder geschickt umzudeuten versucht oder er wird, wie beispielsweise in der Zeit des Stalinismus, unbarmherzig ausgelöscht. Josef Stalin hat die Kultur der Lüge in der Sowjetunion perfektioniert. Auf allen Bildern, auf denen man Bucharin, Trotzki oder Sinowjew hätte sehen können, alles frühere Mitstreiter, die er umbringen ließ, wurden diese wegretuschiert. Heute verschwinden gottlob keine Menschen mehr in Foltergefängnissen des NKWD, dafür aber wird fleißiger denn je die Wahrheit umgedeutet oder zu verbergen gesucht.