Am 4. Mai 2025 tritt Rumänien zur Präsidentenwahl an. Der spannendste Kandidat? Ein Mann, der aussieht, als sei er direkt aus einem Nationalepos gefallen – George Simion: 38 Jahre alt, verheiratet, ultrapatriotisch, rechtkonservativ und lautstark. Ein Haiduk im Sakko, der nicht klaut, sondern klagt – vorzugsweise gegen „die da oben“.

Der Favorit von Millionen Rumänen, auch im Ausland

Simion ist das, was man einen politischen Revolutionär im tiktok-Zeitalter nennen könnte: populistisch im Ton, rebellisch in der Pose, volksnah im Auftritt – aber bitte für die NATO mit „AUR“ Partei – Abzeichen am Revers und einem Dauerabo auf Donald Trump-Zitate. Er ist Abgeordneter, AUR-Chef (zweitstärkste politische Kraft im Parlament), stellvertretender Fraktionsführer der europäischen Konservativen (ECR) und der erklärte Favorit von Millionen Rumänen, auch im Ausland, insbesondere jener rund 200.000, die in Österreich leben. Er traf im April 2025 seine Landsleute in der Pyramide Vösendorf und war schon im März im Wiener Ferdinandihof zu Gast, meldete selbst der ORF.

Der rumänische Journalist Alex Todericiu (Bild) lebt in Wien.Dr. Alex Todericiu/Dr. Alex Todericiu

Denn im Ausland sieht man in Simion den echten „Volkshelden“, eine Figur mit rebellischem Glanz und folkloristischem Flair. Im Inland dagegen zückt die Upper Class lieber den Etikettenspender: Hooligan, Demagoge, Krawallmacher. Dass Rumänien die „Zivilgesellschaft“ oft wie eine subventionierte Prozession aufführt – gut geprobt, schwungvoll inszeniert –, stört dabei fast niemanden. Theatrum mundi wie im 18. Jahrhundert lässt grüßen: Die Bühne steht, die Rollen sind verteilt, und das Publikum – nun ja – döst vor sich hin, bis jemand mit Flamme und Furor die Szene betritt. Simion ist dieser Jemand. Ein Haiduk, in der Tradition jener Rebellen, die einst mit Schwert und Moral die Unterdrückung bekämpften – zumindest in den Volksliedern. Heute zieht Simion mit Mikrofon und Facebook-Livestream los. Und statt Reichen zu berauben, beraubt er Talkshows ihrer Gemütlichkeit. Diese Tradition der Schaustellungen hat sich über Jahrhunderte erhalten.

Die Botschaft: Brüssel nervt, die Eliten betrügen

Er spricht „für das Volk“, vor allem für jene, die in Maßanzügen nie ein Zuhause sahen. Die „blue collars“, die andere Politiker sonst nur zur Wahlzeit umarmen. Seine Botschaft? Brüssel nervt, Eliten betrügen, und sowieso läuft alles schief – aber raus aus der EU will er selbstverständlich nicht.

Simion Wirkung heute? Enorm. Er ist kein Politiker im klassischen Sinne – er ist ein Gefühlsmensch, dem seine Wähler glauben, weil er ihnen echt erscheint, weil er ein Marktschreier mit Sendungsbewusstsein ist und Vaterlandssehnsucht provoziert. Seine Kritiker geben sich derweil in Bukarest die Klinke in die Hand. Die Meinungsmacher, Wertewächter, Leitartikler, Panel-Philosophen, die so Wichtigen, die Wichtig-tuenden allesamt damit beschäftigt, sich gegenseitig zu versichern, dass sie es besser wissen. Weil sie die Vernunft sind – und Simion eben nicht.

Doch wehe, der Haiduk gewinnt. Dann geht es ganz schnell: Aus dem Pöbler wird – auch für die Hautevolee – der neue erste Mann im Staate. Aus dem Kritisierten der Umarmte. Und dieselben Stimmen, die gestern noch erhaben die Stirn runzelten, applaudieren plötzlich im Takt der neuen Macht. Die großen Leuchttürme des Denkens? Schwenken dann doch wieder Fähnchen. War ja immer so. Wird wohl auch so bleiben.