
Christian Ortner: Trumps Tricks
Die weit verbreitete Annahme, Donald Trump wirble die Weltwirtschaft mit seinen irren Zöllen aus schierer Dummheit und Ignoranz durcheinander, kann stimmen – muss aber nicht, denn möglicherweise hat er einen Plan, der mit viel Glück ein gutes Ende nehmen könnte, meint exxpress-Kolumnist Christian Ortner.
Erinnern Sie sich noch an das Chlorhuhn, in Österreich auch Chlorhendl genannt? Der Vogel kommt weder in der freien Natur noch im Stall des hiesigen Bauern vor, er war aber vor etwa zwanzig Jahren sozusagen das Wappentier all jener, die gegen ein seit etwa 2013 geplantes, gewaltiges Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA kämpften. Ein Abkommen, das beiden Handelsblöcken jeweils rund hundert Milliarden Euro zusätzlichen Wohlstand gebracht hätte – der EU sogar ein bisschen mehr –, das aber nie zustande kam. Und zwar unter anderem deswegen, weil vor allem Linke und Grüne in Europa die Angst vor angeblich schädlichen Nahrungsmitteln als Vorwand nutzten, ihre protektionistischen Instinkte auszuleben. Und da kam ihnen der Umstand, dass in den USA Hühner im Schlachthof mit Chlor desinfiziert werden, sehr zupass, auch wenn dies völlig unbedenklich ist. Das Wappentier einer reaktionären, populistisch-protektionistischen Bewegung schlüpfte sozusagen aus dem Ei.
The Donald macht linke Politik
Es ist ein Treppenwitz der Weltgeschichte, dass ausgerechnet Donald Trump, der hierzulande ja als böser Neoliberaler und Handlanger seiner noch neoliberaleren Billionär-Kumpels gilt, jetzt mit seiner Zollpolitik zumindest teilweise genau das verwirklicht, was Linke und Grüne seit Jahrzehnten fordern, nämlich ein Zurückdrängen des freien Welthandels. Der ist ja bekanntlich ein ausbeuterisches Projekt des Kapitalismus, das im Wesentlichen daraus besteht, dass Kinderarbeit in der dritten Welt die Taschen raffgieriger Kapitalisten an der Wall Street füllt. Oder wie sich das schlichte Linke halt so vorstellen.
Eigentlich müssten all jene, die bisher gegen TTIP und andere ähnliche Freihandelsabkommen gekämpft haben, Trump nun laut applaudieren. Stattdessen werfen dieselben Leute ihm nun vor, eine dumme Politik zu betreiben. Das verstehe, wer es zu verstehen vermag.
Die Mauer, ein Trick?
Ob Donald Trumps zuerst errichtete und nun teilweise wieder sistierte Zollmauer gegen Importe aus aller Welt tatsächlich so dumm ist, wie das europäische Kommentariat nun unisono behauptet, lässt sich meiner bescheidenen Meinung nach freilich noch nicht wirklich sagen. Sollte es tatsächlich das Ziel Trumps sein, diese Mauer auf Dauer zu betreiben, um jährliche Mehreinnahmen von mehreren hundert Milliarden Dollar zu generieren, die ja letztlich der amerikanische Verbraucher wird zahlen müssen, wäre die Kritik weitgehend berechtigt. Dass Zölle grundsätzlich allen schaden, ist triviales Wissen.
Doch möglicherweise spielt Trump ein ganz anderes Spiel. Einen kleinen Hinweis in diese Richtung gab uns sein mit Abstand wichtigster Einflüsterer, das bizarre Unternehmer-Genie Elon Musk. Denn kaum hatte der US-Präsident seine Zollmauer vorgestellt und damit an den Börsen in wenigen Minuten mehr Geld vernichtet, als in Dagobert Ducks Geldspeicher Platz hat, erklärte Musk zum allgemeinen Erstaunen, sein Ziel sei eine Freihandelszone zwischen den USA und der EU – also das Abschaffen sämtlicher Zölle und Handelshemmnisse, ganz, wie es ja als TTIP geplant war.
Das ist nur scheinbar ein Widerspruch zu dem, was sein Chef Trump gerade macht.
Doch ein Deal?
Denn in der kurzen Zeit seit dem sogenannten Liberation Day, also Trumps Verkündung der Zolltarife, sprach bereits fast die Hälfte aller Regierungen dieser Welt im Weißen Haus vor, um mit dessen Bewohner in Verhandlungen über diese Zölle eintreten zu dürfen, allen voran die EU, die prompt anbot, zumindest Industriezölle auf Gegenseitigkeit abzuschaffen. Was in der Folge dazu beigetragen haben dürfte, dass die Europäer bis Ende Mai nur vergleichsweise geringfügige Zölle zahlen müssen – und, vor alllem, verhandelt wird.
Das ist zugegebenermaßen kein Beweis, aber sehr wohl ein starkes Indiz dafür, dass es Trump nicht so sehr um die Zölle an sich geht, sondern darum, auf dem Verhandlungsweg bessere Handelskonditionen für sein Land zu erreichen.
Das ist für die anderen Staaten nicht gerade angenehm, aber Trump ist ja auch Präsident der USA und nicht der eines Handelspartners.
Und diese Handelspartner, da hat Trump schon einen Punkt, haben sich in der Vergangenheit auch nicht immer als große Helden des Freihandels geriert, durchaus zum Nachteil der USA. So haben etwa die EU-Staaten im Schnitt deutlich höhere Zölle für Importe aus den USA verrechnet als umgekehrt. Die EU hat etwa für US-Automobile schon bisher zehn Prozent Zoll verlangt, während die Amerikaner Mercedes, Audi, BMW & Co nur mit mageren 2,5 Prozent Zoll belegten – eindeutig ein Wettbewerbsvorteil für die europäische, vor allem aber deutsche Autoindustrie. Dass nicht nur Donald Trump das unfair findet und deshalb wegverhandeln will, ist nachvollziehbar.
Ich halte es deswegen für nicht ganz ausgeschlossen, dass jene große weltweite Wirtschaftskrise, die Trumps Zollpolitik angeblich auslösen wird, rechtzeitig abgesagt wird – wenn Europa, aber vor allem auch China bereit sind, den Amerikanern dort entgegenzukommen, wo sie die USA bisher tatsächlich unfair behandelt haben. Und wenn all jene, die in Europa bisher gegen Freihandelsabkommen wie TTIP und einige andere agitiert haben, endlich einsehen, dass Freihandel gut für alle ist.
Alles schon mal da gewesen
Es wäre nicht das erste Mal, dass ein US-Präsident so agiert. Ronald Reagan, der heute nicht nur als überzeugter Freihändler, sondern auch als ganz großer Präsident gilt, verhängte im Jahr 1987 Zölle in Höhe von hundert Prozent gegen japanische Elektronikprodukte, weil Japan US-Unternehmen behinderte, die nach Nippon exportieren wollten – mit dem Ergebnis, dass die Regierung in Tokio innerhalb weniger Monate nachgab und die Zölle wieder aufgehoben wurden. Vielleicht hat Trump ja einfach nur Geschichte gelernt.
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