Einsame österreichische Proleten gehen auf Fleischbeschau in Länder wie Thailand oder Kasachstan und geben Macho-Sprüche von sich. So kann man die ATV-Serie „Das Geschäft mit der Liebe – Frauen aus dem Osten“ zusammenfassen. Das geschmacklose Format scheint bis heute seit seiner Premiere im Jahr 2010 nichts von seiner Faszination verloren zu haben: Ende Februar startete die 11. Staffel.

Vergangene Woche war „Das Geschäft mit der Liebe“ die einschaltstärkste Sendung des Privatsenders ATV, laut dem Verein Arbeitsgemeinschaft TELETEST, der TV-Einschaltquoten erhebt. 2023 erreicht die Kult-Trash-Doku einen Marktanteil von bis zu 12,3 Prozent. Wen wundert´s? Menschliche Abgründe, Verkupplung, Schamlosigkeit und Einblicke in das Privatleben Anderer ziehen den Homo sapiens seit je her in den Bann.

Die Gehirne der Zuseher werden bereits seit 15 Jahren mit Incel-Fantasien zugemüllt

Man muss Falter-Chefredakteur Florian Klenk, Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler (SPÖ) sowie den Frauenvorsitzenden von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen mit ihrer Kritik an der Soap Recht geben: Die Sendung ist „sexistisch, rassistisch und frauenverachtend“ (Kritik der Frauenvorsitzenden), „sexuelle Ausbeutung von Frauen“ wird zur Schau gestellt (Andreas Babler) und „Rape-Cultur, Ausbeutung und Frauenhandel“ wird verharmlost (Florian Klenk). Doch das steht auch nicht zur Debatte.

Vielmehr fragt man sich: Warum kommt die Kritik erst jetzt beziehungsweise gerade jetzt? Seit über 15 Jahren werden die Gehirne der jungen und alten Zuseher Woche für Woche mit Incel-Fantasien (Incels sind Männer, die gerne romantische Beziehungen hätten, es aber aus diversen Gründen nicht schaffen, welche herzustellen) von angeblich „gefügigen“ und „unkomplizierten“ Frauen aus Osteuropa und Südostasien zugemüllt. Mario, Max, Michi und Co. geht es darum, „in Pattaya sexuell aktiv zu werden“, „eine Frau zu finden, die sich nach ihm richtet“ oder eine „liebevolle Pflegerin für die Zukunft“ zu suchen. 2012 verkaufte ATV sogar T-Shirts mit Sprüchen der Macho-Teilnehmer wie „Da Oarsch muss passen!“. Im Jahr 2025, acht Jahre nach #MeToo, wäre so etwas undenkbar.

Auf der Facebook-Seite des ATV-Formats werden die männlichen Teilnehmer vorgestellt.Screenshot/Facebook/Das Geschäft mit der Liebe

Klenk gibt den Ton an, die Privatsender sollen sputen?

Man kann über den Grund des plötzlichen Aufschreis, der eine Kettenreaktion auslöste – Klenks Post auf dem sozialen Netzwerk „Bluesky“, Babler greift das Lamento des Chefredakteurs in einem Posting auf „X“ (vormals Twitter) auf, die SPÖ-, ÖVP-, Neos-, und Grüne-Frauenvorsitzenden watscheln den Männern mit einem offenen Brief hinterher – nur Mutmaßungen anstellen. Haben die Herr- und Damenschaften tatsächlich zum ersten Mal von „Das Geschäft mit der Liebe“ gehört? Kaum vorstellbar!

Erstaunlich ist der Einfluss, genauso wie das Selbstbewusstsein des linksliberalen Chefredakteurs. Klenk drohte in seinem Post, nicht länger bei den Privatsendern der Puls 4/Puls24-Gruppe – zu der ATV gehört – aufzutreten, wenn die Trash-Serie nicht aus dem Programm genommen werde. „Journalisten-Gott“ Klenk schafft an, die österreichischen (Privat-) Medien werden schon sputen: So in etwa scheint das Selbstbild des Chefredakteurs zu sein. Doch im aktuellen Fall bewahrheitet sich seine Macht und sein Einfluss, den er auf linke Politiker wie Babler ausübt.

Durchaus ein Angriff auf die Meinungsfreiheit

Nach Andreas Bablers Androhung, er werde „an die Geschäftsführung von ATV herantreten und die Inhalte dieser Sendung thematisieren“, kündigte ATV an, „Das Geschäft mit der Liebe“ für eine Woche auszusetzen und deren Inhalte überprüfen. Einige Social-Media-Nutzer sprechen in diesem Zusammenhang von „Zensur“. Das mag übertrieben sein, doch kann man die Causa durchaus als Angriff auf die Meinungsfreiheit von Privatsendern werten. Auch die Frage, ob an der ATV-Sendung eine Art Exempel statuiert werde und es nicht bei einem Einzelfall bleibt, ist berechtigt.

Babler äußert Begeisterung für Rapper mit sexistischen Texten

An der Stelle ist ein Gedankenspiel angebracht: Man stelle sich vor, die Kritik an dem Format käme aus dem rechten Medien-Lager. Herbert Kickl wäre österreichischer Bundeskanzler und kündigte an, mit der ATV-Geschäftsführung ein ernstes Wörtchen zu sprechen. Man kann sich ausmalen, wie groß der gesellschaftliche Aufschrei wäre, wie das Wort „Zensur“, „Angriff auf die Medienfreiheit“ in aller Munde wäre.

Apropos Doppelmoral und „Rape-Culture“: In einem Krone-Interview äußerte sich Kulturminister Babler begeistert über den österreichischen Rapper RAF Camora. Kennt der Vizekanzler dessen Songtexte? Für den Fall, dass er sie vergessen habe, sollte er „Waffen“ aus dem Jahr 2017 nachhören. Dort geht es nämlich alles andere als respektvoll gegenüber Frauen zu. Mal sehen, ob Babler und die Frauenvorsitzenden dem Künstler genauso wie ATV eine Rüge verpassen werden.

Natürlich wäre eine Welt ohne Sendungen wie „Das Geschäft mit der Liebe“ wünschenswert. Doch Unmoral oder respektloses Verhalten gegenüber Frauen wird nicht gelöst, indem der Staat in private Unternehmen eingreift und diese zensiert.