
Der Blindflug: Europäer im Kriegsmodus – doch Kiew bald pleite
Beim Ukraine-Gipfel in Paris beschwören Europas Spitzenpolitiker ihre Unterstützung – „so lange wie nötig“. Doch eine unbequeme Frage stellt niemand: Wer finanziert Kiews Staatshaushalt ab 2026? Selbst bei einem sofortigen Kriegsende droht dem Land der Staatsbankrott, wie eine brisante Analyse zeigt.

Beim Ukraine-Gipfel in Paris demonstrierten Europas Spitzenpolitiker Geschlossenheit: Die Sanktionen gegen Russland bleiben, die Ukraine soll militärisch gestärkt werden – notfalls auch ohne die USA. Denn nur eine starke ukrainische Armee garantiere Frieden, wie Präsident Emmanuel Macron mit gewohnt pompösen Worten betonte. Die „Koalition der Willigen“ rund um Frankreich und Großbritannien plant sogar eine Garantietruppe auf ukrainischem Boden – und ließ dabei eine zentrale Frage unbeantwortet.

Kein Geld für den ukrainischen Haushalt 2026
Es ist schleierhaft, mit welchem Geld der ukrainische Staatshaushalt im kommenden Jahr finanziert werden soll, warnt der britische Ex-Diplomat Ian Proud. Für ihn ist das Verhalten der Europäer vor allem „besorgniserregend – nicht zuletzt, weil der Gipfel eher darauf ausgelegt schien, den Krieg zu verlängern als zu beenden.“
Haben Europas Eliten die Kosten auf dem Radar?
In einer Analyse für das außenpolitische US-Medium Responsible Statecraft schlägt Proud Alarm: Selbst wenn der Krieg morgen endet, könnte die Ukraine 2026 pleite sein. „Es gibt derzeit keinen Plan, wie der ukrainische Haushalt nach 2025 finanziert werden soll.“ Es sei „unklar, ob die europäischen Eliten die politischen Kosten – ganz gleich, wie lange der Krieg noch andauert – wirklich verstanden haben.“

Proud hält fest: „Im Staatshaushalt Kiews klafft eine riesige Lücke, die sich weder durch Steuererhöhungen noch durch westliche Hilfen dauerhaft schließen lässt“ – es sei denn, man riskiere ein politisches Erdbeben, bei dem Kräfte am rechten und linken Rand, die schon lange ein Kriegsende fordern, massiv gestärkt würden.

Das Heer bleibt – die Schulden auch
Zu glauben, Kiew könne die Militärausgaben rasch zurückfahren, sei naiv. Proud verweist auf eine Verdreifachung der Truppenstärke auf 900.000 Soldaten – hunderttausende Verwundete und Gefallene nicht eingerechnet. Die Verteidigungsausgaben haben sich seit 2021 verzehnfacht.
Mittlerweile frisst ein strukturelles Defizit den Staat auf: „Seit 2022 liegt das Haushaltsdefizit bei durchschnittlich über 22 Prozent des BIP“, rechnet Proud vor. Für 2025 seien es voraussichtlich 41,5 Milliarden Dollar – bei sinkenden Militärausgaben. Sollte der Krieg andauern, müsse das Budget erneut nach oben korrigiert werden.

Selbst Rekordsteuern reichen nicht
Um den Verteidigungshaushalt zu finanzieren, hat Kiew Steuern und Zölle massiv erhöht. Die Steuereinnahmen sind seit Kriegsbeginn um mehr als 100 Prozent gestiegen, die Einkommensteuer sogar um mehr als 200 Prozent – in einem Land, in dem laut Wilson Center 50 Prozent der Bevölkerung am Existenzminimum leben. Die Verteidigung verschlang im vergangenen Jahr 64 Prozent des gesamten Staatshaushalts. Sie frisst die Staatseinnahmen fast vollständig auf.
Ausgeschlossen von Kapitalmärkten ausgeschlossen
Die Ukraine bleibt laut Internationalem Währungsfonds bis mindestens Ende 2026 von den Kapitalmärkten abgeschnitten – und damit völlig auf westliche Hilfe angewiesen. Ohne sie könnten weder Beamtengehälter noch Stromrechnungen bezahlt werden. Anfangs leisteten USA und EU gemeinsam mehr als 100 Milliarden Dollar an direkter Finanzhilfe. Doch seit 2024 setzt sich der Trend zu Krediten durch – „die Bereitschaft zu ‚bedingungsloser‘ Hilfe sinkt“.

Ukraine gibt doppelt so viel für Schulden aus wie für die Gesundheit
Proud erinnert: Auch Großbritannien beglich seine Schulden aus dem Zweiten Weltkrieg erst 2006. Doch Kiews Schuldenstand liegt schon heute bei mehr als 100 Prozent des BIP. Der Schuldendienst hat sich verdreifacht – er ist mittlerweile der zweitgrößte Posten im Haushalt nach dem Militär. 2025 wird die Ukraine doppelt so viel für Schulden zahlen wie für Gesundheit. Je länger der Krieg dauert, desto mehr Verhältnis wird sich das Verhältnis weiter verschlechtern.
2025 gesichert – aber was ist mit 2026?
Für dieses Jahr rettet ein G7-Sonderdarlehen über 20 Milliarden Dollar das Budget – bereitgestellt aus den USA über die Weltbank, aber nur projektbezogen, etwa für Energie-Infrastruktur. Doch für 2026 gibt es keinerlei Plan. Dann droht der Kollaps, selbst bei sofortigem Kriegsende.

Ukraine kann nicht sofort auf Friedensmodus umstellen
Viele Geber könnten fälschlich annehmen, die Ukraine könne sofort auf Friedensmodus umstellen. „Um das Defizit zu schließen, müsste die Ukraine ihre Militärausgaben 2026 um 80 Prozent senken – also um rund 41 Milliarden Dollar. Das ist politisch kaum machbar. Selbst ein Defizit von 20 Milliarden wäre kaum zu stemmen.“
Trump investiert, Europa zahlt
Auch Trump denkt nicht an Finanzhilfen, eher schon an Rohstoff-Investitionen – damit erhöht sich der Druck auf die vollmundigen Europäer. Schon mit einem 5-Milliarden-Dollar-Waffenpaket taten sie sich zuletzt schwer. Wie soll da eine 20-Milliarden-Dollar-Budgethilfe beschlossen werden – nach einem Waffenstillstand?

Die Europäer: Geeint, aber mit dem Kopf im Sand
Eine solche Entscheidung könnte ein politisches Beben auslösen – Kräfte von links wie rechts, die längst ein Kriegsende fordern, würden gestärkt. Proud mahnt: Die Europäer sollten lieber die laufenden Friedensverhandlungen in Saudi-Arabien aktiv unterstützen, denn „es ist wirtschaftlich und politisch nicht tragbar, den Krieg ohne die USA über 2025 hinaus zu unterstützen.“
Ein deutsches Magazin jubelte nach dem Pariser Gipfel: „Die Europäer beweisen Zusammenhalt.“ Doch Ian Proud befürchtet eher: Sie stecken den Kopf weiterhin kollektiv in den Sand.
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