Kaja Kallas zieht eine rote Linie – doch seit Dezember 2024 spricht sie dabei nicht mehr nur für Estland, sondern für ganz Europa. Die kompromisslose Russland-Kritikerin blockiert jeden Deal, der nicht die vollständige Rückgabe aller besetzten Gebiete – inklusive der Krim – an die Ukraine garantiert. Auch wenn das bedeutet, dass der Krieg weitergeht.

Von Tallinn nach Brüssel – der Ton bleibt hart

Kallas hat ihren Kurs nie verschleiert: keine Kompromisse mit Aggressoren, keine Geschenke für Putin – nicht einmal für einen Waffenstillstand. Als estnische Premierministerin (2021–2024) sprach sie für ein kleines baltisches Land, jetzt spricht sie als EU-Außenbeauftragte für 27 Staaten – auch für Österreich.

Und genau in diesem Namen lehnt sie nun einen Vorschlag ab, den viele in den USA und Europa als realistische Chance für Frieden sehen: ein Waffenstillstand, bei dem Russland die Krim behalten dürfte. Die Waffen würden dafür endlich schweigen – der exxpress berichtete.

„Die Krim gehört zur Ukraine“, sagte Kallas gegenüber AFP. „Den Besetzten bedeutet es viel, dass andere Staaten die Annexion nicht anerkennen.“ Und weiter: „Andernfalls bekommt Russland eindeutig, was es will. Das wäre ein Fehler.“

Kallas gegen Trump, Moskau – und den Kompromiss

Der Hintergrund: Bei den Gesprächen in Paris und London liegt laut Medienberichten ein von den USA unterstützter Vorschlag auf dem Tisch: Die Ukraine könnte einem Waffenstillstand zustimmen – wenn die seit 2014 annektierte Krim nicht nur bei Russland bleiben darf, sondern auch offiziell als russisch anerkannt wird.

Doch Kallas schmettert den Vorschlag ab. Ein solcher Deal würde „Aggression belohnen“, warnt sie. Statt Frieden zu erkaufen, fordert sie mehr Druck auf Moskau – und mehr Härte von Washington. „Die USA haben Werkzeuge in der Hand – sie nutzen sie nicht. Warum?“, fragt sie.

Trump redet mit Italiens Premierministerin Meloni – nicht mit Brüssel. Washington umgeht die EU.APA/AFP/Palazzo Chigi press office/Filippo ATTILI

Die eiserne Linie der Kaja Kallas

Kallas steht für einen Kurs, der seit Jahren auf maximale Konfrontation mit Russland setzt. Als Premierministerin unterstützte sie die Ukraine mit Javelin-Raketen, forderte Haftbefehle gegen russische Kommandeure und gab der gesamten russischen Bevölkerung eine Mitschuld am Krieg. Im Februar 2024 reagierte Moskau – mit einem internationalen Haftbefehl gegen sie.

Für Brüssel kein Hindernis: Kallas wurde zur EU-Außenbeauftragten ernannt – ein unmissverständliches Signal: Die EU stellt sich klar gegen Russland – notfalls auch gegen Friedensgespräche.

Kaja Kallas: Ihre kompromisslose Haltung gegenüber Russland war für Brüssel offenbar eher ein Grund als ein Hindernis für die Ernennung zur EU-Außenbeauftragten.APA/AFP/JOHN THYS

Und Kallas bleibt sich treu. Ihr Devise lautet:

– Kein Deal mit Russland, wenn Moskau auch nur ein Stück Land behält
– Harte Kritik an den USA, wenn sie aus ihrer Sicht zu zögerlich agieren
– Warnung vor China als heimlichem Rüstungshelfer Moskaus
– Klares Ja zur Ukraine in der EU

EU einig? Von wegen

Doch nicht alle EU-Staaten folgen Kallas blind. Besonders Viktor Orbán in Ungarn lehnt den EU-Beitritt der Ukraine offen ab. Kallas aber lässt sich davon nicht beirren – und sie warnt: „Wenn wir dem Aggressor alles auf dem Silbertablett servieren, senden wir ein Signal an alle Diktatoren dieser Welt, dass es sich lohnt.“

Auch abseits Ungarns stellt sich die Frage: Wollen wirklich alle EU-Staaten – und auch die Österreicher – diesen kompromisslosen Kurs? Viele sehnen sich nach einem Waffenstillstand – auch um den Preis eines ungeliebten Kompromisses.

Orbán zu Selenskyj: EU-Beitritt? Nicht mit Ungarn!APA/AFP/POOL/Olivier HOSLET

Trump will Frieden – Kallas blockiert

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj liegt derzeit ganz auf Kallas’ Linie: „Es gibt da nichts zu verhandeln. Die Krim ist unser. Punkt.“ Dabei hatte Kiew laut Washingtoner Insidern noch vor Kurzem Verhandlungsbereitschaft signalisiert.

Ranghohe US-Beamte machen die harte Linie der EU mitverantwortlich für das Stocken der Friedensgespräche. Zu diesem Schluss kam auch eine Recherche des US-Investigativjournalisten Seymour Hersh – der exxpress berichtete.

Die Frage bleibt: Ist ein Alles-oder-nichts-Kurs wirklich klug – oder verbaut er den Frieden auf Jahre hinaus?

Russland-Experte: Trump kann Krim nicht „verschenken“

Umgekehrt gibt es auch Kritik an Trumps Kurs in den USA. Trump kann die Krim überhaupt nicht „verschenken“, sagt ein renommierter US-Russland-Experte. Laut John Hardie vom Thinktank Foundation for Defense of Democracies verbietet ein US-Gesetz von 2017 ausdrücklich die Anerkennung der russischen Annexion ukrainischer Gebiete – einschließlich der Krim.

Auf X warnt Hardie vor „zweifelhaften Zugeständnissen“ an den Kreml. Auch könne der Kongress eine Aufhebung vieler Sanktionen blockieren. Die Botschaft: Trump hat die Hände nicht so frei, wie manche hoffen.

FPÖ: Frieden statt Eskalation

Als einzige Partei im Nationalrat kritisiert die FPÖ offen und scharf den harten EU-Kurs im Ukraine-Krieg – und forderte schon unter Biden: Diplomatie statt Dogma.

FPÖ-Chef Herbert Kickl plädiert seit Russlands völkerrechtswidriger Invasion für eine neutrale Vermittlerrolle Österreichs – und lehnt Waffenlieferungen, Sanktionen und eine „moralische Endsiegrhetorik“ entschieden ab. Die EU müsse aus der „Eskalationsspirale aussteigen“, so Kickl – und auch Russland eine gesichtswahrende Lösung ermöglichen.

Stocker und Kickl: Kein Koalitionsabkommen! Die FPÖ wollte ein Ende der Russland-Sanktionen – und ein klares Nein zur Ukraine in der EU.APA/HELMUT FOHRINGER

In den jüngsten Koalitionsgesprächen forderte die FPÖ nicht nur den Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine, sondern auch die Rücknahme der Russland-Sanktionen. Generalsekretär Christian Hafenecker warf der EU sogar „Kriegsgeilheit“ vor – und betonte, der Konflikt wäre ohne die NATO-Ausrichtung Kiews womöglich nie eskaliert.

Das Ziel der FPÖ: ein Waffenstillstand – statt weiterem Blutvergießen im Namen abstrakter Prinzipien. Kurz gesagt: Die FPÖ teilt offenbar eher die Linie von Trump – und Orbán – als die von Kallas.