Es sei „zum Scheitern verurteilt“, die Menschen dazu aufzurufen, ihren Verbrauch an fossilen Brennstoffen und somit an CO2 kurzfristig einzuschränken – gerade mit Blick auf den realen Einfluss, den Europa auf das Klima und die Entwicklung habe. Die Menschen würden „aufgefordert, finanzielle Opfer zu bringen und ihren Lebensstil zu ändern, obwohl sie wissen, dass ihr Einfluss auf die globalen Emissionen minimal ist“. Das würde der Akzeptanz der Maßnahmen heftigen Schaden zufügen.

„Die Menschen wissen, dass der derzeitige Stand der Debatte über den Klimawandel von Irrationalität geprägt ist“, lautet der erste Satz in einem Bericht, den das „Tony Blair Institute for Global Change“ veröffentlicht hat.

Es sind Worte, die bei den Befürwortern der Klima-Hysterie und der sogenannten „Energiewende“ wie eine Bombe einschlagen dürften, während sie Kritiker der ineffizienten und bisher wenig Nutzen stiftenden Klimapolitik in Europa bestätigen dürften. Blair will jedoch nicht einfach alle Klimamaßnahmen abschaffen oder das Thema beerdigen. Sein Ziel scheint es zu sein, mit dem Aufruf für eine unideologisch pragmatische Politik mit technologischen Lösungen zu werben.

Der Anteil Europas wird immer geringer

Eines von Blairs Kernargumenten: Schon im Jahr 2030 werden rund zwei Drittel der Treibhausgas-Emissionen aus China, Indien und Südostasien stammen – der Einfluss, den Europa oder einzelne Staaten wie Großbritannien oder Deutschland auf das Weltklima haben könnten, sinkt also mit der Zeit rasant. Zeitgleich würden die Investitionen in den Ausbau von erneuerbaren Energien weltweit nicht mehr steigen, sondern sinken.

All dies seien „unbequeme Realitäten, die bedeuten, dass jede Strategie, die entweder auf einem kurzfristigen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen oder auf einer Begrenzung des Verbrauchs beruht, zum Scheitern verurteilt ist“, heißt es in dem Bericht wörtlich. Diese Fakten würden auch nicht die Notwendigkeit infrage stellen, den Klimawandel möglichst zu stoppen – aber eine neue Herangehensweise an dieses Ziel nötig machen, gerade mit Blick auf Kosten und Ressourcen.

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„Wir müssen erkennen, dass die Welt sich für die billigste Option entscheiden wird, wenn wir nicht dafür sorgen, dass einige der aufkommenden Technologien zu finanziell tragfähigen Optionen werden. Das gilt für alles, von der Kernfusion über nachhaltigen Flugzeugtreibstoff bis hin zu grünem Stahl und schadstoffarmem Zement“, heißt es weiter.

Die Botschaft: Wenn es nicht gelingt, Wohlstand mit technologischen Lösungen auch ohne große CO2-Emissionen zu ermöglichen, werden all die Entwicklungsstaaten trotzdem mehr Wohlstand anstreben und den kostengünstigsten, den fossilen Weg gehen, um dies zu erreichen.

Im Zentrum der politischen Anstrengungen sollte, so Blair, die Abscheidung von CO2 stehen, das sogenannte carbon capture and storage (CCS), wofür es jedoch an Investitionen fehle, um die Technologie im großen Maßstab zu ermöglichen. „Die Geringschätzung dieser Technologie zugunsten der puristischen Lösung, die Produktion fossiler Brennstoffe zu stoppen, ist völlig fehlgeleitet“, heißt in dem Bericht.

Das Kernkraftwerk Isar 2 ist eines der drei im April 2023 abgeschalteten, letzten deutschen Atomkraftwerke.GETTYIMAGES/captamotion Creative

Auch für Blair im Fokus: die Kernenergie. Was in Deutschland abgeschaltet worden ist und von der neuen schwarz-roten Regierung auch nicht mehr angefasst werden soll, wird für den Ex-Briten-Premier „ein wesentlicher Teil der Antwort sein“. Er spricht von einer „irrationalen Angst“, befeuert durch übertriebene Kampagnen, die die Welt „zu einem ungeheuerlichen politischen Fehler veranlasst“ hätte. Die neue Generation kleiner modularer Reaktoren würde jedoch die „Hoffnung auf eine Renaissance der Kernenergie“ auslösen.

Politiker wissen, dass Klimadebatte „irrational“ ist

Die meisten politisch Verantwortlichen wüssten ganz genau, dass die Klimadebatte „irrational“ geworden sei. Weiter heißt es: „Aber sie trauen sich nicht, das zu sagen, weil sie fürchten, als Klimaleugner beschimpft zu werden.“ Und wenn sich vernünftige Politiker von diesen Mechanismen abschrecken ließen, bliebe die Deutungshoheit in der Hand derer, die mit ihren Forderungen und Maßnahmen die Zustimmung der Bevölkerung in Gefahr brächten.

Als Höhepunkt des politischen Versagens beschreibt er die COP, den sogenannten „Weltklimagipfel“. Wörtlich heißt es da: „Politische Führer streiten tagelang in der Öffentlichkeit über Formulierungen wie ,Beendigung‘, ,Ausstieg‘, ,Reduzierung‘ fossiler Brennstoffe, verkünden, dass wir das 1,5-Grad-Ziel zur Begrenzung der globalen Erwärmung immer noch erreichen können, darüber, wer die ,Verantwortung‘ für den Klimawandel trägt, und über die Entschädigung für ,Verluste und Schäden‘, und das in einem Forum, das offen gesagt nicht das Gewicht hat, um Maßnahmen und Auswirkungen zu bewirken.“

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Entscheidend seien jedoch die konkreten Entscheidungen der großen Länder und wohin das Geld für Investitionen fließe – und nicht jährliche Treffen mit Willensbekundungen.

Mit seinem Bericht und seinem Schritt in erwartbare Kritik will Blair nach eigener Aussage eine neue Debatte ermöglichen: „Nicht indem wir die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen leugnen, sondern indem wir die Strategie aktualisieren. Wir brauchen Lösungen, die dem Ausmaß der Herausforderung entsprechen, und eine neue Politik, um sie zu verwirklichen. Beides ist längst überfällig“.

Dieser Beitrag ist ursprünglich bei unserem Partner-Portal NIUS erschienen.