Das von der Deutschen Bischofskonferenz betriebene Nachrichtenportal katholisch.de hat den neuen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD einer ausführlichen Analyse unterzogen – und zeigt sich in mehreren Punkten deutlich enttäuscht. Im Fokus der Kritik: die verschärfte Migrationspolitik, die geplante Abschwächung des Lieferkettengesetzes – und der fehlende Respekt gegenüber muslimischem Leben in Deutschland.

Religion kaum Thema – Islam nur in Verbindung mit Islamismus

In dem 146 Seiten starken Koalitionsvertrag spielt Religion insgesamt nur eine Nebenrolle, kritisiert katholisch.de. Lediglich der „unverzichtbare Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ von Kirchen und Religionsgemeinschaften wird allgemein erwähnt – Formulierungen, die auf das kirchliche Portal wie „bemühte Lippenbekenntnisse“ wirken.

Besonders deutlich fällt die Kritik am Umgang der Koalition mit dem Islam aus: Muslimisches Leben in Deutschland werde nirgendwo positiv gewürdigt, so der Vorwurf. Der Islam tauche im Vertrag ausschließlich im Zusammenhang mit Islamismus auf. katholisch.de schreibt wörtlich: „Der Islam kommt nur im Zusammenhang mit Islamismus vor – eine positive Wertschätzung muslimischen Lebens in Deutschland fehlt völlig.“

Kritisch verweist das Portal auf zwei Sätze im Vertrag: Union und SPD kündigen dort einen neuen Bund-Länder-Aktionsplan gegen Islamismus an, zudem soll die „Task Force Islamismusprävention“ zu einem ständigen Gremium im Bundesinnenministerium ausgebaut werden.

Georg Bätzing ist Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und überdies Bischof von Limburg.APA/AFP/Tobias SCHWARZ

Migrationskurs: Kirchen kritisieren „Vorurteile“ und Nähe zur AfD

Besonders deutlich fällt die kirchliche Kritik an der verschärften Migrationspolitik aus, auf die sich CDU und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt haben. Vorgesehen sind unter anderem: Zurückweisungen an den Grenzen, Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan, die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte, das Ende freiwilliger Aufnahmeprogramme sowie die Fortsetzung von Grenzkontrollen, solange ein funktionierender EU-Außengrenzschutz fehlt.

Katholisch.de verweist dazu auf eine bereits vor der Koalitionsbildung veröffentlichte Stellungnahme hochrangiger Kirchenvertreter. Darin warnten der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, und die evangelische Prälatin Anne Gidion, das Vorgehen von CDU und CSU sei geeignet, „alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren“ und „nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen“ beizutragen.

Besonders problematisch sei aus ihrer Sicht auch, dass CDU-Chef Friedrich Merz migrationspolitische Anträge notfalls auch mit Stimmen der AfD durchsetzen wolle – ein Tabubruch, den die Kirchen klar verurteilen.

Gegen eine Abschwächung des Lieferkettengesetzes

Das katholische Portal katholisch.de äußert sich zudem besorgt über einen weiteren Punkt im Koalitionsvertrag: Die geplante Abschwächung des erst 2023 eingeführten Lieferkettengesetzes. Dieses war ursprünglich auch von den Kirchen unterstützt worden – doch es gilt mittlerweile als hochumstritten.

Das Gesetz verpflichtet Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern dazu, Menschenrechte und Umweltstandards entlang ihrer gesamten Lieferkette zu kontrollieren. In der Praxis bedeutet das: deutsche Unternehmen sollen auch für das Verhalten ihrer weltweiten Zulieferer geradestehen – inklusive Berichtspflichten, Risikoanalysen und Kontrollmechanismen.

Für viele Unternehmen wurde daraus ein Bürokratiemonster. Überdies geben die Großkonzerne die Pflichten einfach an kleinere Zulieferer weiter – und die geraten damit wirtschaftlich schnell an ihre Grenzen.

Unternehmer wie Gordon Pelz und Christina Böhm berichten von überzogener Bürokratie, kostspieligen Nachweispflichten und einer Flut an Formularen, die ihre Produktionsprozesse lähmen und ihre Existenz bedrohen. Die Kritik: Das Gesetz schade am Ende nicht nur der deutschen Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch dem Wohlstand vor Ort – und das, ohne echte Verbesserungen in Entwicklungsländern zu bewirken.