Kürzungen, späterer Pensionsantritt – und sogar ein Automatismus für künftige Anhebungen des gesetzlichen Pensionsalters: Die Bundesregierung hat die wohl härteste Pensionsreform seit Jahrzehnten beschlossen. Ab 2026 müssen die Österreicher länger arbeiten – mit massiven Auswirkungen auf unzählige Menschen. Und das ist erst der Anfang: Ein „Nachhaltigkeitsmechanismus“ zwingt die nächste Regierung zu weiteren Einschnitten, wenn die Ziele nicht erreicht werden.

FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach von einem „miesen Verrat an den Pensionisten“ und warf der Regierung vor, jene zu bestrafen, „die jahrzehntelang das Land aufgebaut haben“. Nur ein Punkt der Reform – die neue Teilpension – stößt auch bei Grünen und FPÖ auf verhaltene Zustimmung. Doch der Rest sorgt für Zorn und Protest. Denn ein großer Widerspruch springt ins Auge:

FPÖ-Chef Herbert Kickl (Bild) spricht von einem „Verrat an den Pensionisten“.APA/HELMUT FOHRINGER

Wer arbeitet, zahlt – wer nicht arbeitet, bekommt?

Während die Regierung jener Generation, die jahrzehntelang gearbeitet hat, das Leben schwerer macht – mit späterem Pensionsantritt und höheren Abgaben – bleibt ein anderes Ungleichgewicht bestehen: In kaum einem anderen Land werden Löhne so hoch besteuert wie in Österreich.

Gleichzeitig werden immer mehr Sozialleistungen an Menschen ausgeschüttet, die noch nie gearbeitet haben – teils dauerhaft. Ein wachsendes Heer an Transferempfängern, das vom Staat alimentiert wird, während man den Leistungsträgern Verzicht und Verlängerung der Erwerbszeit zumutet. Diese soziale Schieflage bringt immer mehr Bürger auf die Palme – zu Recht.

Hier sind alle Details der Pensionsreform:

SPÖ-Sozialministerin Korinna Schumann (Bild) glänzte bei der Präsentation des Pensions-Hammers durch Abwesenheit.APA/ROLAND SCHLAGER

Korridorpension später, Versicherungsjahre rauf

Ab 1. Jänner 2026 gibt’s die Korridorpension erst ab 63, statt wie bisher ab 62. Zugleich steigen die nötigen Versicherungsjahre von 40 auf 42. Der Anstieg erfolgt vierteljährlich in Zweimonatsschritten. Ausnahmen gelten nur für Schwerarbeiter – etwa Pflegekräfte, die kürzlich offiziell anerkannt wurden.

Ziel der Maßnahme: 1 Milliarde Euro jährlich sparen. Gleichzeitig soll das faktische Antrittsalter näher ans gesetzliche heranrücken.

„Jetzt das Richtige tun“ – Wöginger und Shetty präsentieren die „ersten (!) Reformschritte zur Sicherung der Pensionen“. Doch dabei soll es demnach nicht bleiben: Weitere Hammer-Beschlüsse dürften folgen.APA/HELMUT FOHRINGER

Teilpension: Arbeiten und gleichzeitig Geld kassieren

Ein Lichtblick der Reform: Die neue Teilpension. Wer 42 Versicherungsjahre hat, kann künftig weniger arbeiten und anteilig Pension beziehen. Beispiel: Ein 63-Jähriger mit 4.000 Euro brutto, der halb so viel arbeitet, hätte netto 2.475 Euro im Monat – deutlich mehr als in der vollen Korridorpension (1.283 Euro). Und: Die Vollpension ab 65 steigt ebenfalls.

Die Teilpension soll im Juli beschlossen und ab 1. Jänner 2026 wirksam werden. Die bisherige Altersteilzeit wird integriert – künftig nur mehr möglich, wenn Teil- oder Korridorpension nicht beansprucht wird.

FPÖ und Grüne zeigen sich hier offen – anders als beim Rest des Pakets.

Einheitliche Aliquotierung bei Pensionsanpassung

Ebenfalls ab 2026 wird die sogenannte Aliquotierung vereinheitlicht: Alle Neopensionisten erhalten künftig 50 Prozent der jährlichen Pensionsanpassung, unabhängig vom Monat des Pensionsantritts. Bislang gab es hier große Unterschiede.

Krankenversicherungsbeitrag steigt: Minus 200 Euro für Pensionisten

Ab 1. Juni 2025 zahlen Pensionisten mehr Krankenversicherung – der Beitrag steigt von 5,1 auf 6 Prozent. Das bedeutet: bis zu 200 Euro weniger pro Jahr. Die Maßnahme ist bereits fix, der Bundesrat beschließt sie noch im Mai.

Das Sozialministerium kündigte Härtefall-Regelungen an, darunter eingefrorene Rezeptgebühren für Mindestpensionisten.

Automatische Einschnitte: Der „Nachhaltigkeitsmechanismus“ kommt

Der wohl folgenreichste Teil der Reform: der „Nachhaltigkeitsmechanismus“. Schaffen die aktuellen Maßnahmen nicht die gewünschten Einsparungen, muss die nächste Regierung handeln – gesetzlich vorgeschrieben. Möglich wären dann: höheres gesetzliches Antrittsalter, Beitragssteigerungen, Kürzungen.

NEOS-Klubchef Yannick Shetty nennt das einen „Airbag fürs Budget“. Das Maßnahmenpaket soll sogar in Verfassungsrang gehoben werden – doch Grüne und FPÖ lehnen das ab. Wenn es dabei bleibt, fehlt für diese Maßnahme auch die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit.

NEOS-Klubobmann Yannick Shetty (r.) spricht von der „größten Pensionsreform seit 20 Jahren“.APA/HELMUT FOHRINGER

Anreize für ältere Arbeitnehmer: Neues Monitoringsystem

Ein weiteres Vorhaben: Ein Monitoring- und Anreizsystem für Menschen über 60, um zu prüfen, in welchen Branchen Ältere länger beschäftigt werden können. Geplant sind auch lohnnebenkostensenkende Maßnahmen, um Unternehmen zu motivieren, ältere Arbeitnehmer länger zu halten.

Ministerin fehlte – „aber kein Koalitionsstreit“

Bei der Präsentation im Parlament fehlte SPÖ-Sozialministerin Korinna Schumann – was für Aufsehen sorgte. Laut Sozialministerium war es ein Terminproblem, kein politisches Foul. Schumann betonte später: Keine Anhebung auf 67 Jahre, keine Eingriffe ins Pensionskonto, weiterhin Pensionserhöhungen. Sie sprach von einem „wesentlichen Schritt“.

Sozialministerin Korinna Schumann (r., SPÖ) sei bei der Präsentation aus rein terminlichen Gründen verhindert gewesen, heißt es.APA/HANS KLAUS TECHT

Damit ist klar: Die fetten Jahre sind vorbei

In der Praxis bedeuten die Reformen: weniger Geld, mehr Arbeit – und das wohl erst der Anfang. Während die Regierung das Paket als „ehrlich“ und „zukunftsorientiert“ verkauft, erleben viele Bürger das Gegenteil: einen schleichenden Sozialabbau, der vor allem jene trifft, die jahrzehntelang ins System eingezahlt haben.

Wer hart gearbeitet hat, soll jetzt länger schuften – während andere weiter vom Sozialstaat leben, ohne je beigetragen zu haben. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Kritik kommt von der Opposition und den Seniorenvertretern

Die Grünen begrüßen die Teilpension, lehnen aber den Verfassungsmechanismus ab – Verfassungsmehrheiten seien „nicht für Sparpakete“ da.

Die FPÖ attackiert die „Systemparteien“, kritisiert Kürzungen bei Pensionisten und warnt vor ungeregelter Einwanderung in den Sozialstaat. Zustimmung zur Teilpension ist für die Freiheitlichen aber denkbar.

Der SPÖ-nahe Pensionistenverband warnt vor einer „Existenzgefährdung“ für Mindestpensionisten und nennt den Mechanismus einen „Freibrief für Pensionskürzungen“.

Der ÖVP-Seniorenbund unterstützt die Teilpension, fordert aber Einbindung der Seniorenvertreter und altersgerechte Arbeitsplätze.

Der Pensions-Hammer der Regierung: alle Zahlen und Fakten

Korridorpension später (ab 1.1.2026):
Der frühestmögliche Antritt zur Korridorpension wird schrittweise von 62 auf 63 Jahre angehoben. Die nötigen Versicherungsjahre steigen gleichzeitig von 40 auf 42 Jahre.

Teilpension neu (ab 1.1.2026):
Arbeiten und Pension gleichzeitig – das neue Modell erlaubt es, etwa zu 50 Prozent weiterzuarbeiten und 50 Prozent der Pension zu beziehen. Auch 25 Prozent oder 75 Prozent sind möglich. Die bisherige Altersteilzeit wird integriert.

Aliquotierung vereinheitlicht (ab 1.1.2026):
Künftig erhalten alle neuen Pensionisten pauschal 50 Prozent der jährlichen Pensionsanpassung, unabhängig vom Monat des Pensionsantritts.

Krankenversicherungsbeitrag rauf (ab 1.6.2025):
Der Beitragssatz für Pensionisten steigt von 5,1 % auf 6 %. Je nach Pensionshöhe bedeutet das bis zu rund 200 Euro Verlust im Jahr. Die Regierung plant Härtefallregelungen, etwa eingefrorene Rezeptgebühren.

Nachhaltigkeitsmechanismus (ab 2035):
Ein automatischer Sparzwang greift, wenn die Reformziele nicht erreicht werden. Möglich sind dann höheres gesetzliches Pensionsantrittsalter, Beitragserhöhungen oder Pensionskürzungen.

Kosten der Pensionen aktuell (laufend):
Der Bund zahlt derzeit rund 30 Milliarden Euro jährlich zu – das sind etwa ein Viertel des Gesamtbudgets.

Pensionisten heute / 2045 (Prognose):
Derzeit gibt es 2,5 Millionen Pensionisten. Für das Jahr 2045 werden 3,25 Millionen erwartet – eine Zunahme von 750.000.

Österreichs strukturelles Problem (laufend):
Arbeit wird extrem hoch besteuert, während immer mehr Sozialtransfers an Menschen gehen, die nie gearbeitet haben. Das belastet das System zunehmend – und vergrößert die soziale Schieflage.