Denn: Seit dem 13. November 2024 ruht Thomas Haldenwangs (CDU) Amt als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, da er nun als Abgeordneter der Union im Bundestag sitzt.

Die Pressemitteilung zur Einstufung der AfD als extremistische Bestrebung ist unterschrieben von Vizepräsident Sinan Selen und Vizepräsidentin Dr. Silke Willems. Durchgestochen wurde die Einstufung zunächst an den Spiegel. „Jetzt beginnt die eigentliche Feldschlacht“, prognostizierte Cicero-Journalist Mathias Brodkorb im Anschluss an die Entscheidung. ARD-Moderator Georg Restle forderte unterdessen den endgültigen Ausschluss von AfD-Politikern aus Talkshows in den öffentlich-rechtlichen Sendern. „Verfassungsfeinden darf keine Bühne gegeben werden.“

„Keinerlei politischen Einfluss“

Der Staat darf nun nachrichtendienstliche Mittel gegen die Partei einsetzen. Darunter fällt die Observation von Personen, das Abhören der Kommunikation, der Einsatz von V-Personen oder die Auswertung von internen Dokumenten. Begründet wird dieser Schritt mit einem Gutachten des Inlandsgeheimdienstes, das 1.100 Seiten umfassen soll, das in der Öffentlichkeit jedoch bislang nicht präsentiert wurde. Dem Bundesinnenministerium sei das Gutachten am 28. April vorlegt worden, erklärte Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die nur noch wenige Tage im Amt ist, am Freitag. Es habe jedoch „keinerlei politischen Einfluss“ auf das Gutachten gegeben.

Noch immer weiß jedoch niemand außerhalb der Regierungskreise, was in dem Gutachten überhaupt drinsteht. „Dass das Gutachten zur AfD im Geheimen bleibt, die Einschätzung selbst aber herausposaunt wird, ist in einem echten Rechtsstaat ein no go“, bemerkt hierzu der Verfassungsschutzer Josef Franz Lindner.

Maßgeblich für die Entscheidung sei das „ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis“

Die AfD sei eine „die Menschenwürde missachtende, extremistische“ Partei, heißt es in der Pressemitteilung des BfV. Bislang wurde lediglich die mittlerweile aufgelöste Jugendorganisation der AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft (April 2023) sowie die drei Landesverbände in Thüringen (März 2021), Sachsen-Anhalt (November 2023) und Sachsen (Dezember 2023). Nun folgt die Gesamtpartei.

IMAGO/Bernd Elmenthaler

Maßgeblich für die Entscheidung sei das „ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis“ der AfD, begründet das BfV. „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes.“

Dieser Vorwurf ist der zentrale Punkt. Seit geraumer Zeit behauptet der Verfassungsschutz, dass die Nutzung eines ethnisch-kulturellen Volksbegriffs verfassungsfeindlich sei. Der Staatsrechtler Dietrich Murswiek, emeritierter Professor der Universität Freiburg, spricht von einer „völlig unbegründeten, unsinnigen Unterstellung“. Ein auf die empirische Wirklichkeit verweisender Begriff könne gar nicht verfassungsfeindlich sein, verfassungswidrig könnten nur Verhaltensweisen sein. Richtig sei: „Das Volk als Subjekt der Demokratie ist das Staatsvolk, nicht das Volk im ethnischen Sinne.“ Aber das schließe nicht aus, dass es ein deutsches Volk im ethnischen Sinne gebe.

Zwischen Ethnos und Demos trennen

Genau das behauptet jedoch der Verfassungsschutz. „Die propagierte Vorstellung, dass es ein deutsches Volk jenseits des im Grundgesetz als der Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen definierten Staatsvolkes gebe, impliziert eine Herabsetzung von eingebürgerten Staatsangehörigen zu Deutschen zweiter Klasse“, heißt es in den Erläuterungen des Inlandsgeheimdienstes.

Der Verfassungsschutz hat damit verlernt, sauber nach Ethnos und Demos zu trennen. Denn auch Artikel 116 des Grundgesetzes widerspricht der Einschätzung des Geheimdienstes. Dieser rechnet dem deutschen Staatsvolk neben den Staatsangehörigen auch Flüchtlinge und Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit zu. Damit ist genau jene ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit gemeint, die nicht durch den Pass ausgedrückt wird. Auch die Verfassung des Freistaates Sachsen nutzt den ethnisch-kulturellen Volksbegriff. Dort heißt es: „Dem Volk des Freistaates Sachsen gehören Bürger deutscher, sorbischer und anderer Volkszugehörigkeit an.“

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