In einem bemerkenswert deutlichen Interview auf exxpressTV stellt der erfahrene Unternehmer, Sanierer und frühere Offizier Hansjörg Tengg klar: Österreich soll sich aus dem Ukraine-Krieg heraushalten – nicht aus Feigheit, sondern aus strategischer Klugheit. Und: im Sinne der in der Verfassung verankerten Neutralität. „Ich lasse mir gern Trittbrettfahrerei vorwerfen – das ist eben der Vorteil unserer Lage.“

Tengg (l.) im Interview mit exxpress-Redakteur Stefan Beig (r.)EXXPRESS/EXXPRESS

Tengg, der auch der ersten Bundesheer-Reformkommission unter Bruno Kreisky angehört hat, hält nichts von einer moralisch motivierten Aufweichung der Neutralität – im Gegenteil: „In einer Zeit, in der alles im Fluss ist, wäre es das Dümmste, aus der Neutralitätsdeckung herauszugehen.“ Die Neutralität sei nicht nur ein österreichisches Verfassungsprinzip, sondern eine sicherheitspolitisch vernünftige Position in einer unübersichtlichen Weltlage. Die Versuche, sie moralisch zu entwerten, kritisiert er scharf: „Und das nur, um ein ,Nice Guy‘ zu sein, der sich solidarisch einbringen will. Das ist doch alles Schwachsinn!“

„Europäer wollen einen Krieg weiterführen, ohne es faktisch zu können“

Hansjörg Tengg sieht in der aktuellen Kriegsrhetorik europäischer Politiker eine gefährliche Mischung aus Überheblichkeit, Unreife und Planlosigkeit – insbesondere angesichts der Tatsache, dass es an militärischen und finanziellen Mitteln fehlt, um die eigenen Ansprüche zu erfüllen.

Tengg: „Die Europäer überlegen, wie sie diesen absurden, sinnlosen Krieg in der Ukraine weiter unterstützen können – obwohl sie es faktisch gar nicht mehr können. Viele Menschen, vor allem auch in Österreich, hoffen einfach nur noch auf Frieden. Aber die öffentliche Debatte kreist leider oft um andere Dinge. Es dominiert die Kriegsrhetorik.“

800 Milliarden Euro neue Schulden in Deutschland? „Wahnsinn!“

Der Top-Manager spart auch nicht mit Kritik an den Aufrüstungsplänen Deutschlands. Berlins Versuch, 800 Milliarden Euro Schulden für die Verteidigung aufzunehmen, sei „Wahnsinn“: „Das ist, als hätte man ein vollkommen desolates Unternehmen – kaputte Strukturen, unfähiges Personal – und die Eigentümer sagen: ‚Wir machen eine Kapitalerhöhung um 800 Milliarden‘.“

Auch das Gerede von einer „Koalition der Willigen“ hält er für reine Rhetorik: „Die Europäer sagen: ‚Wir stehen weiter zu dir, Herr Selenskyj‘ – in Klammern: ‚Aber die Amerikaner müssen schon mitmachen.‘ Die haben aber längst erklärt, dass sie das nicht mehr wollen.“

EXXPRESS/EXXPRESS

USA & Russland: Die eigentlichen Akteure

Für Tengg ist klar: Der Ukraine-Krieg wird nicht in Brüssel oder Kiew entschieden, sondern zwischen Washington und Moskau:
„Am Ende wird es einen Diktatfrieden geben – zwischen den USA und Russland. Selenskyj wird dann informiert, wie es ausgeht.“

Der Manager verweist auf die Realität in Russland: „Ein Freund war kürzlich in Moskau. Er sagt: Die Stadt ist voller Amerikaner – sie reden schon über die Aufhebung der Sanktionen und machen Geschäfte.“

Europa? Besser ein globales Museum als ein scheiterndes Imperium

Statt imperialer Ambitionen empfiehlt Tengg einen radikal anderen Zugang: „Vielleicht sollte sich Europa zu dem entwickeln, was die Schweiz früher einmal war – auf globaler Ebene.“

EXXPRESS/EXXPRESS

Er meint das durchaus ernst: „Europa hat schöne Museen, Denkmäler, Landschaften. Die Leute wollen beim Figlmüller ihr Schnitzel essen, auf dem Markusplatz in Venedig spazieren. Warum nicht?“ Der Unternehmer plädiert für eine funktionale, föderale EU mit wirtschaftlicher Kooperation – aber ohne geopolitische Größenfantasien.

Trump statt Transatlantik-Ehrfurcht

Obwohl kein Trump-Fan, erkennt Tengg dessen geopolitische Wirkung an: „Trump hat die transatlantische, fast schon hündische Ergebenheit aufgelöst.“

Während unter Biden wieder alte Abhängigkeiten gepflegt würden, bringt Trump für Europa eine unbequeme Wahrheit ans Licht: „Die Europäer machen Lärm gegen das, was Trump will – aber sie können schlicht nicht. Es ist wie bei einem Eunuchen: Er würde gern – aber er kann nicht.“

EXXPRESS/EXXPRESS

Wer ist Hansjörg Tengg?

Hansjörg Tengg, geboren 1947 in Innsbruck, ist einer der bekanntesten Wirtschaftsmanager Österreichs. Vor allem in den 1990er Jahren sorgte er für Schlagzeilen. Als Generaldirektor begleitete er die Abwicklung von Konsum Österreich – der größten Insolvenz der Zweiten Republik.

Davor war er Vorstand bei den Donaukraftwerken, Geschäftsführer mehrerer Energie- und Industrieunternehmen sowie Sanierer in der Papier- und Immobilienbranche. Bis heute ist er in zahlreichen Aufsichtsräten der österreichischen Energiewirtschaft aktiv und gilt als Vordenker in den Bereichen Energie, Infrastruktur und Marktliberalisierung. 1993 gründete er die Tengg & Partner GmbH.

Tengg studierte Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau an der TU Graz, war ÖH-Vorsitzender und Reserveoffizier des Bundesheeres. In den 1970er Jahren war er Mitglied der ersten Bundesheer-Reformkommission – gemeinsam mit einem damals jungen Jörg Haider.