
Wer ist (mit-)verantwortlich für das Karl-Mahrer-Desaster?
Nach dem historischen Absturz der Wiener ÖVP zieht Karl Mahrer die Konsequenzen und tritt zurück. Doch sein Abgang ist nur die Oberfläche – die wahren Ursachen für das Debakel liegen tiefer.
Montagnachmittag nach der Wien-Wahl, Landesparteiobmann Karl Mahrer tritt vor die Kameras und gibt ein Statement ab. Das Wahlergebnis sei für ihn „schmerzhaft und nicht erwartbar gewesen”, doch er übernehme die volle politische Verantwortung und tritt als Landesparteiobmann zurück.
„Ich habe einen klaren Plan und finde, dass eine bürgerliche Handschrift in Wien wichtig wäre”, so Mahrer und schlägt einen neuen Landesparteiobmann zur Neuausrichtung vor, der „sowohl breite Mehrheiten innerhalb der Partei hat als auch Brücken zur Stadt bauen kann”. Zwar werden die folgenden im Freien gesprochenen Sätze von einer Müllabfuhr verschluckt, doch die Person, die Karl Mahrer als seinen Nachfolger vorschlägt, ist zu hören: Der Bezirksvorsteher des ersten Bezirks, Markus Figl.
Hastig verabschiedet sich Mahrer von der Presse und verschwindet wieder durch die Glastüre der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse.
Doch so einfach, wie es sich die ÖVP nun mit dem erzwungene Rücktritt von Karl Mahrer macht, ist die Lage bei weitem nicht. Vielmehr steht die entscheidende Frage im Raum: Wer ist (mit-)verantwortlich für das Karl-Mahrer-Desaster? Die Verantwortung für den historischen Wahlabsturz tragen zwar in erster Linie Karl Mahrer und sein Landesgeschäftsführer Peter Sverak, aber ihnen die komplette Verantwortung zuzuschieben, wäre nicht korrekt.

Auch dass das Debakel mit Mahrers Rücktritt beendet ist, trifft nicht zu. Viel mehr ist die historische Wahlschlappe eine regelrechte Katastrophe für die Volkspartei. Zwar wird die Spitze in Wien nun ausgewechselt, doch mit der Halbierung der Wähler verliert die Partei etliche Bezirksräte und Bezirksvorsteher-Stellvertreter. Ein Desaster, dessen Ausmaß sich nun Schritt für Schritt offenbaren wird.
Ein Desaster, das zu verhindern gewesen wäre.
Warnungen wurden von Nehammer & Co. ignoriert
Karl Mahrer wurde von seinem Vorgänger Gernot Blümel als Interimsobmann eingesetzt. Mahrer jedoch verkündete schon bald darauf: „Ich bin gekommen, um zu bleiben!” Es folgte der Landesparteitag im Mai 2022, Karl Mahrer wird offiziell zum Landesparteiobmann gewählt – obwohl bereits intern Stimmen gegen ihn zu vernehmen waren.
Diese Stimmen wurden bei weiterem Wirken Mahrers immer lauter. Schwammiger Zick-Zack-Kurs, keine klare Festlegung auf Themen oder Strategien, beratungsresistent und skurrile Personalentscheidungen für Leiter-Positionen der Landespartei bestimmten Mahrers Politik und Führungsstil.
Als klar wurde, dass man Karl Mahrer nicht in Griff bekommen würde, wandten sich einige Wiener ÖVPler an den Bund.
Sowohl der damalige Bundeskanzler Karl Nehammer als auch seine Generalsekretäre Christian Stocker und Alexander Pröll wurden mehrmals von Wiener ÖVP-Politikern auf das Problem Mahrer hingewiesen. Das nun eingetretene Wahldesaster wurde bereits seit zwei Jahren der Spitze der Bundes-Volkspartei vorhergesagt. Doch die Bitten, die Personalentscheidung zu revidieren und Mahrer abzusetzen, stießen auf taube Ohren.
Die beiden Karls hatten einen guten Draht zueinander, Landesgeschäftsführer Sverak wurde zwar belächelt, aber toleriert und ja mei, der Mahrer hat halt seinen eigenen Kopf. Und niemand griff trotz wiederholten Warnungen ein. Sehenden Auges lächelte sich die ÖVP in den Untergang. Ein Untergang, der zu verhindern gewesen wäre.
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