Martin Halla, Professor für Volkswirtschaftslehre an der WU Wien, warnt im Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin „Selektiv” vor einer gefährlichen Dynamik: Hohe Sozialleistungen und bestehende Migranten-Netzwerke machen Wien weiterhin zum Magneten für Geflüchtete – mit dramatischen Folgen für Arbeitsmarkt und Bildungssystem.

Vorweg die Fakten: Mit einer Arbeitslosenquote von 9,4 Prozent liegt Wien weit über dem österreichweiten Durchschnitt. Besonders alarmierend: Über ein Drittel der arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren lebt in der Hauptstadt.

73,7% der Syrer und 54,2% der Afghanen beziehen in Wien Sozialleistungen

Sehr kritisch ist auch die enorme Anziehungskraft Wiens auf Geflüchtete. So bezogen 2023 73,7 Prozent der Syrer und 54,2 Prozent der Afghanen in Wien Sozialhilfe oder Mindestsicherung. Diese hohen Transferleistungen wirken regelrecht wie ein Magnet auf Zuwanderer und Flüchtlinge.

„Wien ist als Metropole per se und aufgrund von bestehenden Migrantennetzwerken bereits bei Geflüchteten beliebt. Anreize durch Transferleistungen verstärken diese Magnetwirkung”, so Halla zu „Selektiv”. „Es wäre im Sinne der Integration hier entweder eine Angleichung oder sogar negative finanzielle Anreize für einen Zuzug nach Wien zu setzen.” Schon eine Angleichung der finanziellen Leistungen in Wien an die Bundesländern würde das Problem entschärfen.

Der WU-Professor Martin Haller gab dem Wirtschaftsmedium „Selektiv" ein interessantes Interview.X/Selektiv

Blickt man über die Grenzen hinaus, zeigt sich: Länder wie Dänemark gehen erfolgreicher vor. Intensivere Sprachförderung und gezielte Ansiedlung von Geflüchteten in wirtschaftlich starke Regionen führen dort zu deutlich besseren Arbeitsmarktergebnissen. Österreich dagegen hinkt laut Halla nicht nur bei der Umsetzung, sondern auch bei der Daten-Evaluierung hinter.

Auch sollte Asylwerbern der Zugang zum vollen Arbeitsmarkt gewährt werden: „Arbeit ist ein integraler Bestandteil der Integration, auch im sozialen Bereich. Wir sollten allen Menschen, die bei uns leben, Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren”, findet Halla.

Rund 45 Prozent der Schulanfänger sind aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse außerordentliche Schüler.IMAGO/IMAGO / photothek

Langfristig sieht Halla die größten Herausforderungen für Wien im Bildungsbereich. Bereits rund 45 Prozent der Schulanfänger verfügen aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse über einen außerordentlichen Status, das ist fast jedes zweite Kind. Besonders besorgniserregend: Der Großteil dieser Kinder wurde bereits in Wien geboren.

„Die Stadt Wien muss alles daransetzen, bereits im Bereich der Elementarbildung – also im Kindergarten – möglichst vielen Kindern ausreichende Deutschkenntnisse zu vermitteln”, so Halla, denn: „Die bildungspolitischen Maßnahmen von heute sind die beste arbeitsmarktpolitische Vorsorge von morgen.“