Am 28. April 2025 brach auf der Iberischen Halbinsel das Stromnetz zusammen: Spanien und Portugal versanken im Chaos, nachdem innerhalb von nur fünf Sekunden 15 Gigawatt Leistung – rund 60 Prozent des spanischen Bedarfs – ausfielen. Zugverkehr, Krankenhäuser und Telekommunikation standen still, 30.000 Polizisten mussten zur Aufrechterhaltung der Ordnung mobilisiert werden.

Blackout-Chaos in Barcelona: Der Bahnhof Sants musste evakuiert werden.GETTYIMAGES/Gian Marco Benedetto/Anadolu

Die genaue Ursache ist weiterhin unklar. Technische Störungen, atmosphärische Schwingungen und externe Probleme im französischen Netz stehen im Raum.

Und der vielzitierte Cyberangriff? Portugals Premierminister Luís Montenegro erklärte, es gebe „keine Hinweise“ auf einen solchen Angriff. Auch Spaniens Cybersicherheitsbehörde fand bislang nichts. Trotzdem wurden in der Anfangsphase öffentlich „Cyberattacken“ ins Spiel gebracht – möglicherweise, um von eigenen Versäumnissen abzulenken.

Ohne Licht: Eine Bäckerei in Tarragona während des Blackouts am 28. April 2025.GETTYIMAGES/Francisco Richart Barbeira/NurPhoto

Überproduktion an Solarstrom und immer instabileres Netz

Für Energieexperten wie Dr. Björn Peters ist klar, dass der extreme Ausbau der erneuerbaren Energien das Netz maßgeblich gefährdet hat. „Es sieht so aus, als ob es in Frankreich eine Netzstörung gab, da Spanien hohe Überschüsse an Solarenergie loswerden musste, die plötzlich nicht mehr abgenommen werden konnten“, erklärte der promovierte Physiker gegenüber Apollo News. Dadurch kam es zu instabilen Frequenzschwankungen, die eine Kettenreaktion auslösten.

Solarpark und Strommast bei Sonnenuntergang: Der massive Ausbau erneuerbarer Energien stellt Europas Stromnetze vor neue Herausforderungen – wie der Blackout in Spanien zeigt.GETTYIMAGES/fhm

Der deutsche Energieökonom und Politberater warnt: „Weil in Spanien wie in Deutschland hohe Anteile der Photovoltaik-Anlagen nicht regelbar sind, stehen immer weniger Kraftwerke zur Verfügung, um auf Instabilitäten zu reagieren. Das System wird daher langsam immer unberechenbarer.“ Deshalb können schon kleine Störungen , so Peters, „zu nicht mehr beherrschbaren Ausfällen großer Systeme führen“. Das Beispiel Spanien sei eine „Warnung“, auch für Deutschland und Österreich.

Bloomberg bestätigt: Fehlende „kinetische Energie“ durch Solaranlagen

Auch der US-Wirtschaftsdienst Bloomberg verweist auf einen zentralen Konstruktionsfehler: „Windkraft- und Solaranlagen liefern keine kinetische Energie, die durch die rotierenden Turbinen thermischer Kraftwerke erzeugt wird.“ Diese kinetische Energie ist aber unverzichtbar, um die Frequenzstabilität im Stromnetz aufrechtzuerhalten. Ohne sie drohen „Kettenreaktionen“, die wie in Spanien das Netz in Sekunden zum Zusammenbruch bringen können.

Windpark in Urgell, Lleida: Wegen Landschaftsproblemen wollten einige Gemeinden den Ausbau der Windenergie in Spanien stoppen.GETTYIMAGES/Urbanandsport/NurPhoto

Kinetische Energie – also die Rotationsenergie großer Turbinen – wirkt im Stromnetz wie ein Stoßdämpfer. Bei plötzlichen Schwankungen hilft sie, die Frequenz stabil zu halten. Doch moderne Photovoltaik- und Windkraftanlagen speisen ihren Strom über elektronische Wechselrichter ein – ohne rotierende Massen. Sie tragen also nicht zur Netzstabilität bei. Ohne kinetische Reserve kann bereits eine kleine Störung ungebremst zu starken Frequenzabweichungen führen – die Schutzmechanismen greifen, Kraftwerke schalten sich automatisch ab, eine Kettenreaktion beginnt. Genau das geschah in Spanien.

Bloomberg hält fest: „Der Blackout verdeutlicht die Herausforderungen bei der Integration erneuerbarer Energien ins Netz“. Ein zusätzlicher Schwachpunkt: Spanien verfügt über nur wenige Stromverbindungen zu Nachbarländern – Überschüsse können an sonnigen Tagen kaum abgeleitet werden.

Solarstromanlage bei Flix, nahe Tarragona: Spanien setzt massiv auf erneuerbare Energien. Der Blackout wirft jedoch Fragen zur Stabilität des Stromnetzes auf.GETTYIMAGES/Albert Llop/NurPhoto

Vahrenholt: „Cyberangriff“ nur Ablenkung von Energiepolitik

Der frühere Hamburger Umweltsenator und Energieexperte Fritz Vahrenholt sieht die Probleme ebenfalls bei der Energiepolitik: „Begonnen hat der Zusammenbruch mit einer Überproduktion an Solarstrom um 9 Uhr.“ Der Überschuss konnte nicht wie geplant ins Ausland exportiert werden, meint auch er. „Wir kennen das Problem aus Deutschland, wo im Sommer regelmäßig nicht zu gebrauchender, wertloser Solarstrom mit Zuzahlungen ins Ausland entsorgt wird.“

Zur öffentlichen Debatte über Cyberangriffe sagte Vahrenholt gegenüber Apollo News klar: „Das hört sich dann eher doch als Ablenkungsmanöver an. Denn die auch in Spanien verfehlte Energiepolitik kann ja nicht die Ursache eines solchen Versagens sein.“

Barcelona im DunkelGETTYIMAGES/Gian Marco Benedetto/Anadolu

Wiederherstellung des Netzes mit alternativen Energien nicht möglich

Auch die Wiederherstellung der Stromversorgung dauerte ungewöhnlich lange: Solaranlagen und Windräder sind nicht in der Lage, ein Netz nach einem Zusammenbruch („Black Start“) neu hochzufahren. Nur klassische Kraftwerke wie Gas- oder Kohlekraftwerke oder Pumpspeicher können diese Aufgabe erfüllen.

Spanien wollte 81 Prozent Erneuerbare – und erlebte den Albtraum

Spanien hatte ambitionierte Pläne: Bereits 2025 soll ein Großteil des Stroms aus Sonne und Wind kommen. Der Denkfabrik Ember zufolge decken erneuerbare Energien bereits 43 Prozent des spanischen Bedarfs.

Stillstand am Bahnhof Sants in BarcelonaGETTYIMAGES/Gian Marco Benedetto/Anadolu

Doch der Blackout zeigt: Der Weg in die grüne Zukunft ist gefährlicher als gedacht. Björn Peters warnt: „Mit jeder Photovoltaik-Anlage und jedem Windrad steigt die Herausforderung, das Netz stabil zu fahren. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenbruchs des Netzes steigt damit langsam an, nur ist es immer noch unvorhersehbar, wann genau ein großer Systemausfall eintritt“,

Eine Mahnung – auch für Österreich.